Forschung

IAPT: Diese Möglichkeiten bietet der 3D-Druck in der Zukunft

14. April 2021
In der Pandemie konnte die Fraunhofer Einrichtung dank der flexiblen Technologie gar akute Krisenhilfe leisten. Serie Teil 2

Die 3D-Druck-Technologie eröffnet bislang ungeahnte Möglichkeiten und hat besonders in der Coronakrise an Bedeutung gewonnen. Frank Beckmann, stellvertretender Institutsleiter der Fraunhofer-Einrichtung für Additive Produktionstechnologien IAPT, beschäftigt sich bereits seit zwölf Jahren intensiv mit der Technologie und ihrem Transfer in die Industrie.

Im Interview mit Hamburg News spricht der studierte Maschinenbauingenieur über den Stand der Technologie, ihrer zunehmenden Wirtschaftlichkeit sowie dem 3D-Druck in der Pandemie.

Hamburg News: Lieber Herr Beckmann, der 3D-Druck hat seine Anfänge in den 80ern. Was ist heute möglich?

Frank Beckmann: In den Achtzigern wurde das erste 3D-Druck-Verfahren, die Stereolithographie, zur Herstellung von Kunststoffbauteilen erfunden. Inzwischen – fast 40 Jahre später – gibt es unzählige additive Fertigungsverfahren auf dem Markt, vor allem auch zur Erzeugung von komplexen Bauteilen aus Metall. Vom kleinen und edlen Schmuckstück aus Edelmetall, über die patientenindividuell gedruckten Hüftpfannen aus Titan bis hin zu Raketenbauteilen, die auf den Mars fliegen, ist vieles möglich und bereits umgesetzt. Die Anwendungen beschränken sich dabei nicht mehr nur auf Prototypen, sondern insbesondere auf einsatzfähige Bauteile, die in ihren Eigenschaften konventionellen Verfahren in vielen Disziplinen überlegen sind.  

Frank Beckmann, stellvertretender Institutsleiter beim Fraunhofer IAPT

Hamburg News: Worin besteht diese Überlegenheit – was sind die grundlegenden Vorteile beim 3D-Druck?

Frank Beckmann: Als erster großer Vorteil ist die enorme geometrische Gestaltungsfreiheit zu nennen, die durch additive Fertigung realisiert werden kann. Der schichtweise Aufbau von Bauteilen ermöglicht die Herstellung komplexer Geometrien, wie zum Beispiel von Gitterstrukturen oder bionischen Strukturen, die mit klassischen Fertigungsverfahren nicht oder nur mit sehr großem Aufwand umsetzbar sind. Das Fraunhofer IAPT nutzt diesen Vorteil, um beispielsweise Verbindungsstrukturen für die Luftfahrt, sogenannte Brackets, oder eine Radaufhängung mit integriertem Bremssattel für den Automobilhersteller Fiat Chrysler Automobiles (FCA), mittlerweile „Stellantis“, neu zu designen und zu drucken. Dabei wurden jeweils rund 40 % Bauteilgewicht unter Verwendung der Gestaltungsfreiheit des 3D-Drucks gespart: Denn um derartige hocheffiziente Designs umzusetzen, weisen die Bauteile nur dort Material auf, wo es für die Lastübertragung notwendig ist.

Hamburg News: Aktuell zeigen sich zudem Vorteile, wie Flexibilität und kleinteilige Produktion. Welche Rolle spielt der 3D-Druck während der Pandemie?

Frank Beckmann: Ein zweiter wichtiger Vorteil ist, dass die Konstruktion direkt aus dem CAD-Datensatz gedruckt werden kann, ohne die im konventionellen Bereich sonst notwendigen Guss- oder Schmiedewerkzeuge bzw. CNC-Programmierung für das Fräsen. Somit ist es möglich, sehr flexibel und auch bereits bei kleinen Stückzahlen wirtschaftlich Bauteile herzustellen, sodass Lieferketten enorm verkürzt werden können. Dieser Vorteil hat sich insbesondere während der Corona-Krise manifestiert: Am Fraunhofer IAPT haben wir innerhalb kürzester Zeit fehlende Adapter für Beatmungsgeräte sowie Halter für Face-Shields gedruckt und konnten so schnelle und unbürokratische Hilfe in Deutschland und auch im besonders betroffenen Italien leisten.

Weiterhin haben wir zwei mobile, containerbasierte Fertigungseinheiten entwickelt, die sowohl Kunststoff als auch Metall additiv verarbeiten und so vor Ort im Krisengebiet medizinische Produkte oder bei Unternehmen mit unterbrochenen Lieferketten bedarfsgerecht fehlende Bauteile gedruckt werden können. Der 3D-Druck trägt daher mit seiner flexiblen Bauteilherstellung zur Krisenbewältigung und zur Resilienzsteigerung von Lieferketten bei.

Hamburg News: Wo liegen die Herausforderungen der Technologie?

Frank Beckmann: Eine zentrale Herausforderung ist die noch eingeschränkte Produktivität der additiven Fertigungsverfahren und die daraus resultierenden Fertigungskosten – damit scheitern einige Anwendungen leider noch an der fehlenden Wirtschaftlichkeit. Dieses Thema ist jedoch erkannt und auch zentraler Bestandteil der Forschungs- und Entwicklungsarbeit des IAPTs. Wir haben gerade mit dem sogenannten Binder Jetting eine neue, Sinter basierte Technologie bei uns installiert (Verfahren, um aus Metallpulvern verschiedenster Legierungen Metallteile herzustellen. Anmerkung der Redaktion), die eine signifikante Produktivitätssteigerung bei der Herstellung von Metallbauteilen verspricht. Weiterhin arbeiten wir intensiv an Ansätzen, um die Prozessgeschwindigkeit auch bei bereits etablierten Verfahren, wie dem selektiven Laserstrahlschmelzen, weiter zu steigern.

Halle im Fraunhofer IAPT

Hamburg News: Ist das Wissen um die Vorteile des 3D-Drucks inzwischen in Hamburger Unternehmen weitgehend verankert?

Frank Beckmann: Tatsächlich ist das noch immer fehlende Wissen der Anwender über die Potentiale des 3D-Drucks sowie die gestalterischen Möglichkeiten, die sich bieten, bislang noch eine weitere Hürde. So bleiben lohnende Anwendungen unerkannt und auch bei umgesetzten Bauteilen wird nicht immer das volle Potential ausgenutzt. Bisher gelebte Konstruktionsansätze folgen dem Prinzip „Design for Manufacturing“ – konstruktive Möglichkeiten werden somit durch die Verfahrensgrenzen der herkömmlichen Fertigung zum Beispiel nicht mögliche Hinterschnitte oder Hohlräume beim Fräsen oder Gießen limitiert. Der 3D-Druck bietet nun aber die Möglichkeit fast beliebig komplexe Strukturen herzustellen. Diese bestehende Konstruktionslehre muss daher erweitert werden, um die Potentiale des funktionsgetriebenen Designs für den 3D-Druck zu ermöglichen. Wir helfen mit den Schulungen unserer Additive Academy bei diesem Wandel in der Herangehensweise und bieten zudem Part Screenings für die Unternehmen, um deren lohnende Bauteile zu identifizieren.

Hamburg News: Wo werden wir den 3D-Druck in Zukunft vor allem sehen?

Frank Beckmann: Die Bereiche des Prototypenbaus sowie die Herstellung von medizinischen Implantaten sind Vorreiter in der Industrialisierung des 3D-Drucks. Zum Beispiel Zahnimplantate oder Hüftpfannen zum Austausch bei Gelenkverschleiß werden heute schon in Serie mittels additiver Fertigung hergestellt. Auch die Luftfahrt hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht und verschiedene Anwendungen bereits erfolgreich in die Flugzeuge gebracht. Durch die kontinuierliche Steigerung der Produktivität und somit der Wirtschaftlichkeit wird aktuell auch ein großer Schub der Technologie in der Automobilindustrie beobachtet. Bisher waren der Einsatz des 3D-Drucks dort auf Prototypen beschränkt, inzwischen sind aber auch erste Kleinserien erfolgreich umgesetzt - und viele weitere Anwendungen werden folgen.

IAPT Türhalter Sportwagen

Hamburg News: Und wo liegen die Schwerpunkte und Chancen in Hamburg?

Frank Beckmann: Neben der bereits adressierten Luftfahrt zeigen sich in Hamburg viele weitere Potentiale, zum Beispiel im Schiffbau, aber auch der klassischen mittelständischen Industrie: So gibt es Medizintechnikunternehmen, aber auch diverse hochinnovative Maschinenbauer, welche die Möglichkeiten des 3D-Drucks schon erschlossen haben. Wir arbeiten in unseren lokalen Netzwerken stets daran weitere Anwendungen zu finden und zu realisieren. Aber auch in der 3D-Druck-Prozesskette bieten sich Potentiale für Hamburg: So haben wir in der Stadt bereits jetzt erfolgreiche Anbieter für Simulationssoftware, neue Pulverwerkstoffe oder den Beton 3D-Druck. Auch entstehen aktuell weitere spannende Startups rund um das Fraunhofer IAPT.

Hamburg News: Vielen Dank für das spannende Gespräch!

Das Interview führte Yvonne Scheller

Lesen Sie auch Teil 1 unserer Serie: 3D-Druck Netzwerk: Die Technik wird erwachsen

Quellen und weitere Informationen

Das IAPT – die Fraunhofer Einrichtung für Additive Produktionstechnologien – steht für die angewandte Forschung sowie den Industrietransfer in allen Fragen des industriellen 3D-Drucks. Das IAPT ist im Jahre 2018 aus der vorherigen Laser Zentrum Nord GmbH (Gründung 2009) hervorgegangen. Knapp 100 Mitarbeiter entwickeln hier Innovationen entlang der gesamten 3D-Druck Prozesskette: Vom bionischen Design über hochproduktive Prozesse und neue Werkstoffe bis hin zum automatisierten Fertigungssystem mit KI-basierten Qualitätssicherungsansätzen. Fokus ist dabei immer die enge Zusammenarbeit mit der Industrie – das gilt für das kleine Hamburger Familienunternehmen genauso wie für den internationalen Großkonzern.

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