SERIE: Windkraft

Sind fliegende Windkraftwerke die Zukunft der Stromerzeugung?

16. Dezember 2020
Vorteile und Chancen von Windkraftanlagen in luftiger Höhe. Hier ist auch ein Hamburger Unternehmen mit von der Partie. Teil 4 unserer Serie

Die Ausbeute von Windkraftanlagen lässt sich sprichwörtlich in die Höhe treiben. Denn je höher man kommt, desto stärker und stetiger weht der Wind. Fliegende Kraftwerke steigen 300 Meter und höher hinauf. In der noch jungen Branche mischt auch ein Hamburger Unternehmen mit. Teil 4 unserer Windkraft-Serie, von und mit Daniel Hautmann, Wissenschaftsjournalist, Wahlhamburger und Experte für Erneuerbare Energien.

Höhenwindkraft für mehr Windenergie

Windkraftanlagen werden auf möglichst hohen Türmen montiert, umso besser ist die Energieausbeute. Da die Türme aber nicht beliebig hoch gebaut werden können, müssen andere Ideen her. Eine davon ist die Höhenwindkraft. Das sind Anlagen, die abheben und durch die Luft fliegen, dorthin, wo die starken Winde wehen.

Solche Maschinen sehen allerdings ganz anders aus, als die gewohnten Dreiflügler. Die grundlegende Idee zu solchen fliegenden Windkraftwerken lieferte tatsächlich ein Kinderspielzeug: der Drachen. Die Leinen der sogenannten Airborne Wind Power sind allerdings bis zu 600 Meter lang – mit Kinderspielzeug hat das nichts mehr zu tun. Ganz im Gegenteil: Manche sehen in der fliegenden Windkraft die Zukunft der Stromerzeugung. Doch die ist noch in weiter Ferne. Zwar sind bereits einige Systeme in der Luft, doch genau genommen sind es allesamt noch Prototypen.

Fliegende Windkraftwerke – Vorteile und Chancen

Höhenwindkraftwerke bringen eine ganze Reihe an Vorteilen mit: Im Vergleich mit konventionellen Windrädern benötigen sie weniger aufwändige Fundamente und gar keine Türme. Das spart Stahl und Beton, also Geld. Alles in allem, sagen Branchenkenner wie Alexander Bormann, Chef des Brandenburger Höhenwind-Unternehmens Enerkite, verbrauchen sie rund 90 Prozent weniger Material – und liefern dabei den doppelten Ertrag. Doch bei den fliegenden Kraftwerken kommen keine Standardmaterialien wie Stahl und Beton zum Einsatz, sondern Edelwerkstoffe. Etwa Karbonfasern oder spezielle Materialien für die Halteseile, wie Dyneema – Eine hochfeste Faser, die zugleich extrem leichtgewichtig ist und vor allem im Hochleistungs-Sportbereich eingesetzt wird. „Die Technik ist das eine, das andere ist die Kostengleichung“, sagt Po Wen Cheng, Windkraftspezialist am Institut für Flugzeugbau an der Universität Stuttgart.

Die enorme Verfügbarkeit des Höhenwindes und die hohen erwartbaren Jahrestromerträge würden die Stetigkeit der Windenergie verbessern und damit das große Problem der Windenergie lindern: die Volatilität. Die Windkraft könnte Grundlaststrom liefern. Und das nicht nur auf hoher See, sondern praktisch überall an Land, also dort wo die Menschen leben. Das wiederum würde den Aufwand reduzieren. Denn um all den Windstrom aus dem Norden Deutschlands in den Süden zu transportieren, braucht es enorme Leitungskapazitäten. Wären die Windstromerzeuger dezentraler angeordnet, so müssten weniger Leitungen gebaut werden.

Mehr Strom mit kleineren Anlagen, Strompreise könnten sinken

Dank der besseren Ausbeute könnten zwei Megawatt starke Höhenwindkraftwerke auf höhere Jahresstromerträge kommen als drei Megawatt starke Windräder. Fort Felker, ehemaliger Direktor des National Wind Technology Center in den USA, und inzwischen Direktor des Höhenwindkraft-Pioniers Makani, führt genau dieses Argument an, wenn er die Flugwindkraft promotet: „Die Technologie ermöglicht es, mit leistungsschwächeren Anlagen mehr Energie zu ernten.“

Auch die Strompreise könnten sinken. Europäische Forscher gehen davon aus, dass sich deutlich bessere Kilowatt-Stundenpreise als mit gewöhnlichen Windrädern realisieren lassen. In einer Höhenwind-Studie aus dem Jahr 2013 vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) in Hannover ist die Rede von zwei bis vier Cent je Kilowattstunde. Damit wäre die Höhenwindkraft günstiger als alle derzeit bekannten Stromerzeugungsvarianten. Und umweltfreundlicher obendrein.

In die Luft oder am Boden bleiben?

Weltweit arbeiten derzeit geschätzte 50 Unternehmen an Flugwindkraftwerken. Dabei kristallisieren sich zwei unterschiedliche Herangehensweisen heraus:

  • Das eine Lager bringt den Generator in die Luft und erzeugt den Strom im Flug. Über spezielle Halteseile, die gleichzeitig den erzeugten Strom transportieren, wird er dann zur Erde geleitet.
     
  • Das andere Lager favorisiert die Stromerzeugung am Boden. Steigt der Drachen oder Flügel in die Höhe, spult er ein Seil ab, das einen Generator antreibt und dabei Strom generiert. Das Prinzip wird auch „Jojo“ genannt, da der Flügel immer wieder eingeholt wird, – und in dieser Phase kein Strom erzeugt wird.

Beide Methoden haben Vor- und Nachteile: Ins Lager derer, die den Generator fliegen lassen, zählt auch Makani. Maßgeblich finanziert hat das kalifornische Unternehmen bis vor kurzem der Internetgigant Google, der im Jahr 2013 in das Flugwindkraft-Unternehmen Makani Power einstieg und im Laufe der Jahre Millionen investierte. Google hatte schon damals angekündigt, auf lange Sicht zum Ökostrom-Selbstversorger aufsteigen zu wollen, – was das Unternehmen mittlerweile nach eigenen Angaben erreicht hat. Die Investitionen haben sich rentiert: Makani ist die Nummer eins in der noch jungen Szene. Die Amerikaner haben die größte, leistungsfähigste und am weitesten entwickelte Höhenwindkraftanlage der Welt in Betrieb.

Know-how aus Hamburg und ein Pilotprojekt

Fast schon ein alter Bekannter in Sachen Zugdrachen ist das Hamburger Unternehmen Skysails, das große Stoffdrachen vor Frachtschiffe spannt. Jetzt konzentrieren sich die Hamburger zudem auf fliegende Windkraftwerke. Das liegt nahe. Schließlich haben sie mit einigen wichtigen Komponenten die in der fliegenden Windkraft zum Einsatz kommen Erfahrung. Skysails weiß, wie man 400 Quadratmeter große Drachen an der Leine bändigt, und welche Kräfte dabei walten. Mit stabilen Halteseilen kennen sie sich also aus. Auch haben sie eine Automatik entwickelt, die den Kite steuert. Ferner wissen sie, wie man solch ein Ungetüm auf See automatisiert startet und landet. Rund tausend Flugstunden soll das System bereits im Einsatz gewesen sein. „Insgesamt wurden mehr als 75 Millionen Euro in die Entwicklung von Skysails-Technologien investiert. Skysails hat das Glück viele langjährige Partner an seiner Seite zu haben, die unsere Entwicklung begleiten und unterstützen“ sagt Skysails-Geschäftsführer Stephan Wrage.

Mit diesem Know-how im Gepäck arbeiten die Hamburger seit einigen Jahren an fliegenden Windkraftwerken. Entsprechend selbstbewusst gibt sich Wrage: „Kite, Steuerung und Seil sind die drei kritischen Punkte.“ Doch es sind nicht nur Ansagen: Eine Pilotanlage mit einer Leistung von bis zu 200 Kilowatt sei derzeit in Norddeutschland in Betrieb.

Ein Gastbeitrag von Daniel Hautmann, freier Wissenschaftsjournalist und Buchautor

Quellen und weitere Informationen

    Das Buch

    Buch-Cover

    Der Mensch nutzt die Windkraft schon seit Jahrtausenden. Mit dem fortschreitenden Klimawandel und der Umstellung der Energieversorgung auf regenerative Energien wird die Nutzung des Windes wichtiger denn je. Daniel Hauptmann zeigt in diesem Buch, was mit der Kraft des Windes noch alles möglich ist, wenn man die Innovationskraft zahlreicher Erfinder und Investoren im großen Maßstab hinzuaddiert. Dabei geht der Wahlhamburger über die gewöhnliche Perspektive der Windkraftnutzung zur Erzeugung von elektrischem Strom hinaus. Er zeigt anhand faszinierender Beispiele, was Wind bewegen kann – von segelnden Frachtschiffen über windbetriebene Rennwagen bis zu schwimmenden Windturbinen. Bei jedem Beispiel geht der Autor auf technische Fakten und die Umweltwirkung ein.

    Daniel Hautmann: Windkraft neu gedacht – erstaunliche Beispiele für die Nutzung einer unerschöpflichen Ressource, Hanser Verlag, München 2020, 229 Seiten, gebundene Ausgabe 39,99 Euro, als E-Book 31,99 Euro.

    Über den Autor

    Daniel Hautmann, Jahrgang 1975, schreibt seit rund 20 Jahren als freier Wissenschaftsjournalist über Technik, Energie und Umwelt. Er ist ausgebildeter Industriemechaniker und Fachzeitschriftenredakteur. Hautmann hat sich vor allem auf regenerative Energien spezialisiert, insbesondere auf das Thema Windkraft. Er surfte bereits mit einem Windsurfweltmeister um die Wette und flog mit der Kunstflug-Europameisterin kopfüber im Segelflugzeug. Seine Texte sind unter anderem in Brand Eins, Technology Review und der Süddeutschen Zeitung erschienen. Darüber hinaus moderiert er gelegentlich fürs Radio, produziert Podcasts und schreibt Bücher. www.danielhautmann.de

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