Klimaschutz

Klimaexperte Mojib Latif: Vom Wissen ins Handeln kommen

8. März 2022
Der neue Präsident der Akademie der Wissenschaften in Hamburg im Interview mit den Hamburg News über Maßnahmen zum Klimaschutz

„Wir müssen Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln heraus betrachten“, ist Professor Mojib Latif überzeugt. Als neuer Präsident der Akademie der Wissenschaften in Hamburg ist er dafür an genau der richtigen Stelle. Der renommierte Klimaphysiker hat am 1. Januar 2022 die Leitung der Forschungseinrichtung von Professor Edwin Kreuzer übernommen. „Im Gegensatz zu vielen anderen wissenschaftlichen Einrichtungen dieser Art, ist die Akademie der Wissenschaften in Hamburg breit aufgestellt.“ Die wissenschaftlichen Disziplinen reichen von Geistes- bis zu Naturwissenschaften, die Themenfelder von Corona bis Wasserstoff. Angesichts einer zunehmend komplexer werdenden Welt reichen isolierte Betrachtungsweisen nicht aus, um zu tragfähigen Lösungsansätzen zu kommen. „So lässt sich der Klimawandel aus meteorologischer Sicht betrachten, also aus meinem Fachgebiet heraus“, sagt der Professor, der seit über drei Jahrzehnten die Wechselwirkungen zwischen Ozean und Atmosphäre und deren Einfluss auf das Klima erforscht. „Ebenso wichtig ist aber die medizinische Sicht, also die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit. Oder die psychologische Sicht: Warum wehren sich viele Menschen so gegen die aktuell diskutierten Maßnahmen? Es gibt viele relevante Blickwinkel.“

Wissenschaftskommunikation stärken

Das Forschen und das so erlangte Wissen sei jedoch nur der erste, wenn auch wesentliche Schritt. Um vom Wissen ins Handeln zu kommen, sei der Wissenstransfer in die Öffentlichkeit hinein entscheidend. „Aktuell dauert es viel zu lange, um vom Wissen zum Handeln zu kommen. Mein Doktorvater, Nobelpreisträger Klaus Hasselmann, hat bereits Mitte der 1990er-Jahre den Einfluss des Menschen auf das Klima nachgewiesen.“ Latif hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, die Wissenschaftskommunikation weiter zu stärken. „Die Menschen suchen in der komplexer werdenden Welt nach Orientierung. Sie werden mit Informationen geradezu überflutet, mit seriösen und unseriösen.“ Der Vorteil der Akademie der Wissenschaften liege in ihrer Glaubwürdigkeit. „Und auf dieser Basis müssen wir wissenschaftliche Ergebnisse verständlich und interessant kommunizieren. Durch gut gemachte Podcasts, YouTube-Videos oder andere digitale Formate können wir die Menschen besser erreichen und sie dort abholen, wo sie stehen“, ist Latif überzeugt. Aktuell in Planung sei zudem eine Essay-Reihe, mit der bestimmte Themen aus verschiedenen Perspektiven intensiv betrachtet werden. „Gerechtigkeit ist eins der großen Themen unserer Zeit und wir werden es aus philosophischer, historischer, medizinischer, aber auch klimatechnischer Sicht beleuchten.“

Professor Mojib Latif, Präsident der Akademie der Wissenschaften in Hamburg

Dem Klima ist es egal, wo CO2 ausgestoßen wird

Und wie steht es aktuell mit der Klimagerechtigkeit? Also der Vorstellung, dass die Länder, die den größten Anteil an der Erderwärmung tragen, sich auch entsprechend für Klimaschutzmaßnahmen engagieren sollten. Mit Blick auf 2020 würde demnach China, mit einem Anteil von rund 31 Prozent an den globalen Kohlenstoffdioxid-Emissionen der weltweit größte CO2-Emittent, sowie den USA (14 Prozent) die größte Verantwortung zukommen. Deutschlands Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen - so eine Übersicht von Statista - lag hingegen ‚nur‘ bei rund zwei Prozent. „Dem Klima ist es egal, wo CO2 ausgestoßen wird, es ist global wirksam“, betont jedoch Professor Latif. Nur gemeinsam könne der Klimawandel gestoppt werden. Und es eilt. „Die Erde hat sich in den letzten Jahrzehnten unfassbar schnell erwärmt, wir erleben mehr und heftigere Extremwetter-Ereignisse und steigende Meeresspiegel.“

Wenn der Appell der Planetenrettung nicht greift, macht vielleicht der Hinweis auf die wachsenden Kosten nachdenklich, die allein der Küsten- und Hochwasserschutz erfordert. „Für den Schutz von Nord- und Ostseeküste wird Deutschland bis 2100 etwa 125 bis 230 Millionen Euro jährlich in die Hand nehmen müssen“, heißt es in einem Statista-Beitrag zum Thema Klimawandel. Und Professor Latif ergänzt: „Allein für den Aufbau nach dem Extremwetter-Ereignis an der Ahr hat die Bundesregierung bis zu 30 Milliarden Euro zugesagt.“

Sturm Nadias zerstörerische Kraft Januar 2022

Wohlstand und Umweltschutz sind kein Widerspruch

Deutschland sei bereits auf einem guten Weg, indem das Erneuerbare-Energien-Gesetz im Jahr 2000 eingeführt wurde und darüber hinaus zahlreiche weitere Umweltschutzmaßnahmen verfolgt. „So hat Deutschland von 1990 bis 2020 seinen CO2-Ausstoß um 40 % verringern können“, so Latif. Leider sei im gleichen Zeitraum der globale Ausstoß um 60 % gestiegen. „Trotzdem ist es ausgesprochen wichtig, dass Deutschland vorangeht und beweist, dass Wohlstand und Umweltschutz Hand in Hand gehen können“, betont Latif. „Wenn wir es schaffen, eine Dynamik in Gang zu setzen, werden andere Länder folgen.“
ys/kk

Quellen und weitere Informationen

Mojib Latif

Mojib Latif, geboren 1954 in Hamburg, hat zum 1. Januar 2022 das Amt des Präsidenten der Akademie der Wissenschaften in Hamburg übernommen. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre, Mathematik, Physik, Ozeanographie und Meteorologie diplomierte Latif in Meteorologie, promovierte und habilitierte in Ozeanographie an der Universität Hamburg. Es folgten Positionen am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, der Kieler Christian-Albrechts-Universität sowie dem GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, wo er die Forschungseinheit Maritime Meteorologie leitet.

Seit über drei Jahrzehnten erforscht Professor Mojib Latif besonders die Wechselwirkungen zwischen Ozean und Atmosphäre und deren Einfluss auf das Klima. Für seine Forschungsarbeiten ist er mehrfach ausgezeichnet worden. Er hat die Sverdrup Goldmedaille der Amerikanischen Meteorologischen Gesellschaft erhalten, den Deutschen Umweltpreis und die Alfred-Wegener-Medaille der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft. Seit November 2017 ist er Präsident der Deutschen Gesellschaft Club of Rome.

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